Er liest Studien wie andere Krimis

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Gesundheitsminister Lauterbach zu Besuch im Biotechnologiepark Luckenwalde

Luckenwalde. So wird ein Politiker selten begrüßt: „Herr Professor, ich bin Ihr größter Fan!“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist kaum aus dem Auto gestiegen, da ertönt schon die überraschende Lobeshymne: „Nee, wirklich! Sie machen einen super Job!“ Das sagt einer, der unter den dezent gekleideten Damen und Herren nicht nur stimmlich, sondern auch äußerlich hervorsticht. Harald Heidecke, Mit-Geschäftsführer der Firma Celltrend im Biotechnologiepark Luckenwalde, steht da in Jeans und grünem Polo-Shirt. Dem Mann, dem es mit ein paar anderen Forschern gelungen ist, das weltweit einzigartige Diagnoseverfahren zum Nachweis von Post-Covid-Erkrankungen zu entwickeln, schert sich nicht um Konventionen.

Der Minister lächelt über den überraschenden Sympathiebeweis und sagt: „Danke sehr, ich tue mein Bestes.“

Nach einem kurzen Fototermin zum Gruppenbild der Anzugträger samt grünem Polo-Shirt, geht es in den Vortragsraum des Kommunikationszentrums des Bioparks zu Fachgesprächen unter fast ausschließlich Fachleuten.

Der heimische SPD-Landtagsabgeordnete Erik Stohn, dem es gelungen ist, seinen Parteifreund Lauterbach nach Luckenwalde zu lotsen, betont die Bedeutung des Wissenschaftsstandorts abseits der üblichen Universitätslandschaft. „Die Einrichtung dieses Biotechnologieparks war eine wichtige Infrastrukturentscheidung durch einen mutigen SPD-Landrat.“ Ihm sei es wichtig, so Stohn, diesen Standort wieder zu stärken, dass der Landkreis Teltow-Fläming als Eigentümer des Bioparks wieder den Mut finde, hier zu investieren, und die „hidden champions“, also die „versteckten Meisterunternehmen“ vorzustellen.

„In 30 Jahren wurde hier ein Standort aufgebaut“, ergänzt Biopark-Geschäftsführer Detlef Laubinger, „wo es sich lohnt, mal reinzuschauen.“ Kurz erläutert er das Konzept: Firmengründern werden komplett eingerichtete Labors und Büroräume vermietet, in denen sie sich ganz ihren Forschungen widmen können. Ergebnis: „Die drei Technologie- und Gründerzentren auf dem Gelände sind bis auf die letzte Besenkammer vermietet“, wie es Erik Stohn etwas flapsig formulierte. Dort arbeiten derzeit rund 700 Menschen. Und wer mehr Platz braucht, baut jetzt selber auf dem benachbarten Gelände am Zapfholzweg wie zum Beispiel die Firma Chiracon.

Deren Chef Ralf Zuhse begründet diesen Schritt damit, noch mehr und noch verschiedenere pharmazeutische Wirkstoffe produzieren zu wollen, als es bisher möglich ist. „Wir spüren die Tendenz, die Wirkstoffproduktion wieder aus Asien nach Europa zu holen“, sagt er, was den Minister zufrieden nicken lässt. Zurzeit produziere Chiracon in Luckenwalde Wirkstoffe für 4,5 Millionen Patienten in der EU.

Mit ebenso beeindruckenden Zahlen wartet LGC-Geschäftsführerin Martina Kotthaus auf. Das britische Unternehmen hat in Luckenwalde sein größtes Vertriebszentrum errichtet, von wo aus etwa 200 Mitarbeiter organische Referenzmaterialien erforschen, herstellen und in rund 150 Länder verschicken. Die Angebotspalette besteht aus 14.500 Produkten. Es bestehe ein großer Bedarf an Erstprodukten, die in Deutschland hergestellt werden, betonte Gesundheitsminister Lauterbach: „Das ist ein enormer Wachstumsmarkt. Da sind sie beachtlich gut aufgestellt.“

Eine große Zukunft sieht Lauterbach auch für das Luckenwalder Unternehmen JEmedis, benannt nach seinem Geschäftsführer und Inhaber Jürgen Ebert, der mit seinen Erfahrungen als DDR-Onkologe im Bereich des BCG-Impfmittels gegen Tuberkulose forscht und produziert. Denn weltweit gebe es nur drei Unternehmen, die dieses Mittel zur Verfügung stelle, berichtet Ebert: „Wir wollen diese Lücke schließen und das Mittel mit neuesten Technologien hier in Luckenwalde herstellen.“ Immerhin wirke das Mittel auch bei der Krebsbekämpfung. Was noch fehle, sei die Zulassung.

„Ich kenne den Engpass“, bestätigt Karl Lauterbach, „Ihr Vorgehen ist sehr zu begrüßen.“ Und was Ebert bisher noch nicht wusste, berichtet ihm Lauterbach. So gebe es ganz neue Studien, die eine positive Wirkung des BCG-Impfstoffs auf Demenz-Patienten nachweisen. „Ich lese gerne Studien“, sagte der Minister nebenbei, wahrscheinlich so gerne wie andere Krimis lesen. Ebert solle sich doch bei ihm melden, sobald er mit der Zulassung weiter sei, so Lauterbach. Da öffne sich noch ein ganz neuer Forschungsbereich.

Schließlich war auch die Firma Celltrend an der Reihe, sich dem Minister zu präsentieren. Sie ist ein kleines Unternehmen mit nur vier privaten Eigentümern, hat aber Großes geleistet. So ist es ihr gelungen, sogenannte Autoantikörper im Blut von Patienten nachzuweisen, die durch Infektionen erkrankt sind. Das gab es schon vor Corona, hat danach aber deutlich an Bedeutung gewonnen, weil man mithilfe des von Celltrend entwickelten Verfahrens Langzeitfolgen von Infektionskrankheiten nachweisen kann, was vorher nicht ernstgenommen beziehungsweise angezweifelt wurde. Obendrein kann man mit den Erkenntnissen der Diagnose genau diese Spätfolgen gezielt medikamentös behandeln. Zum Nachweis der Langzeitfolgen hat Celltrend gemeinsam mit behandelnden Medizinern ein weltweit einzigartige Testkits entwickelt, wie Ko-Geschäftsführer Kai Schulze-Forster, der Partner von Laubach-Fan Harald Heidecke, stolz zu verkünden wusste.

Nicht ganz unbeteiligt an diesem Erfolg sei der Biotechnologiepark Luckenwalde, wie Schulze-Forster betonte: „Wir sind seit 25 Jahren in Luckenwalde. Der Biotechnologiepark bot uns einen tollen Mehrwert in Form von kompletten Laborausstattungen. Hier herrscht eine freundliche Atmosphäre und man hilft sich gegenseitig.“

„Am Biotechnologiepark Luckenwalde wird deutlich Zukunft wird in Luckenwalde und Brandenburg gemacht. Mit 700 Arbeitnehmern und guten Steuereinnahmen ist der Biotechnologiepark längst ein erheblicher Wirtschaftsfaktor für Luckenwalde. Diese Entwicklung zu stärken, sehe ich als eine vordringliche Aufgabe im Landtag wie im Kreistag.“, erläutert der örtliche Landtagsabgeordnete Erik Stohn (SPD).