Luckenwalder Biopark-Unternehmen liefert innovative Anästhesiologie-Technik in die ganze Welt
Luckenwalde. „Der Luckenwalder Biotechnologiepark ist ein richtiger Schatz, den es zu puschen gilt.“ Das betont der Jüterboger Landtags- und Kreistagsabgeordnete Erik Stohn (SPD) immer wieder. Kein Wunder, dass er mit einer solchen Aussage im Biopark selber offene Türen einrennt. „Das sehe ich auch so“, stimmte ihm kürzlich Christian Ewers zu, als Stohn sein Unternehmen ZeoSys Medical GmbH besuchte.
Seit genau fünf Jahren residiert die Firma im Biotechnologiepark Luckenwalde. Der Grund für diese Standortentscheidung waren die Reinräume, die das Start-up-Unternehmen dort zu relativ günstigen Konditionen mieten konnte. Und hier in der brandenburgischen Provinz entwickelte der promovierte Chemiker Ewers mit seinen Mitarbeitern ein Verfahren, das er inzwischen weltweit vermarktet. Dabei geht es darum, ein volatiles – also flüchtiges bzw. verdunstendes – Narkosemittel wieder aufzufangen, zu filtern und schließlich durch einen hochkomplexen Prozess wiederzugewinnen und somit wieder einsetzbar zu machen.
Bisher geschah beziehungsweise geschieht die Narkose mit einem Beatmungsgerät meistenteils noch so, dass das ausgeatmete Gas über ein spezielles Vakuum-Rohrsystem über das Dach des Krankenhauses in die Atmosphäre gepustet wird. Laut Christian Ewers ist diese so genannte volatile Narkose wesentlich besser als die per Infusion verabreichte Sedierung, weil sie wesentlich besser steuerbar ist und nicht die gefährlichen Nebenwirkungen hat wie ein mit der Spritze verabreichtes narkotisierendes Medikament.
Das kann Erik Stohn bestätigen, der vor einem halben Jahr selber die schmerzvolle Erfahrung eines schweren Autounfalls machen musste und danach neun Operationen mit unterschiedlichen Narkoseverfahren über sich ergehen lassen musste.
Der Nachteil bei den flüchtigen Narkosemedikamenten ist allerdings, dass sie aus florierten Kohlenwasserstoffen bestehen. Diese gelten als klimaschädlich, weil sie die Atmosphäre zerstören und deshalb von der EU verboten werden sollen.
Um dem entgegenzuwirken, haben sich laut Ewers manche Kliniken, dazu entschlossen, in ihren Gebäuden einen zentralen Filter einzubauen. Sein System hingegen mache schon allein das aufwendige Abluftsystem bei Klinikneubauten völlig überflüssig, weil die „Abgase“ direkt an dem Beatmungsgerät im Operationssaal in kleinen Dosen mit eingebautem Aktivkohlefilter eingefangen werden. Die vollen Dosen werden dann von der Firma ZeoSys zurückgenommen und ihr Inhalt wird aufgearbeitet und wiederverwertet anstatt dass sich das Gas in Luft auflöst und obendrein noch die Atmosphäre verunreinigt und zerstört.
Sogar die in der Zossener Außenstelle des Unternehmens selber hergestellten Kohlefilter werden recycelt und wiedereingesetzt. Derzeit überlege man auch noch, wie die gebrauchten Plastikdosen gereinigt und zu Granulat verarbeitet werden, aus dem dann wieder neue Dosen hergestellt werden können, berichtet Christian Ewers, der sich selbst als „Chemiker mit Umweltbrille“ bezeichnet.
Bei ihm wirkt sich die angewandte Ökologie auch noch ökonomisch vorteilhaft aus. „Meine Filter sind viel billiger und effektiver als der Betrieb des sonst üblichen Ablüftungssystems“, betont Ewers. Dabei werde nicht nur das Gas gespart, weil es wiedergewonnen wird, sondern auch die Energie für die Druckluft, mit der die herkömmlichen Entlüftungsanlagen betrieben werden muss. Und bei Klinikneubauten könne man sich das ganze Abluftsystem gleich ganz sparen.
Anschließend führte Herstellungsleiter Matthias Baranowski, ebenfalls promovierter Chemiker wie sein Chef, den Landtagsabgeordneten durch die „Fabrik“, wie Geschäftsführer Ewers die „Wiederaufbereitungsanlage“, wie man das mit Technik vollgestopfte Labor vielleicht auch nennen könnte, bezeichnet. Dorthin gelangt man über zwei Schleusen, in denen man sich Einwegkittel, Einwegschuhüberzieher und Einweg-Haarhauben überziehen muss, bevor man in den Reinraum gelangen darf.
Hier werden in einem aufwendigen chemischen Prozess pro Jahr rund 20.000 Liter des Narkosgases Sevofluron wiedergewonnen. Dabei handelt es sich um ein auf der ganzen Welt verwendetes volatiles Anästhetikum. Diese Menge würde für Deutschland alleine reichen, meint Barnowski. Die relativ kleine „Fabrik“ sei so konzipiert, dass der Reinraum in einen Transportcontainer passen würde und die nötige Infrastruktur wie Lüftung, Kühlung, Dampferzeugung – kurz: alle Prozessmedien – in einen zweiten Container Platz fände. Dies deshalb, weil: „Transportkosten sind hierbei irrelevant“, sagt Geschäftsführer Ewers. Denn: „Diese Fabrik werde ich kopieren und in Modulen überall auf der Welt aufbauen, um weite Transportwege zu vermeiden.“ Alles andere wäre ja weder ökonomisch noch ökologisch zu rechtfertigen.
So entsteht derzeit in Luckenwalde ein weltweit agierender Arzneimittelkreislauf-Betreiber, der nicht nur mit kleinen Dosen, sondern auch mit kleinen Fabrik-Modulen dezentrale Lösungen entwickelt hat zur Abgasvermeidung und Wiedergewinnung des Ausgangsprodukts. „Zukunft entsteht nicht irgendwo, sondern bei uns in Luckenwalde“, stellt Landtagsabgeordneter Erik Stohn fest.
Inzwischen hat das noch kleine Unternehmen erst 13 Mitarbeitende, weitere sollen eingestellt werden. „Ich trainiere meine Leute selber“, sagt Christian Ewers. „Ich nehme jeden, der arbeiten will, und dem die Arbeit Spaß macht.“ Er zahle inzwischen deutlich mehr als Mindestlohn, und bei wachsender Verantwortung gebe es auch weitere gute Verdienstaussichten. Alter und Qualifikation seien ihm egal. „Hauptsache, wir passen zusammen“.