Stohn talkt mit zwei leidenschaftlichen Eisenbahnern

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Jüterboger Gespräch zu Mobilität und Verkehrsanbindung zeigt Bedarf an vierspurigem Gleisausbau und einer Allianz für den Bahnhof auf

Jüterbog. In „ungewöhnlicher Atmosphäre“ begrüßte Erik Stohn die Gäste seines neuesten Jüterboger Gesprächs an einem eigentlich passenden aber dennoch etwas unwirklichen Ort. Diesmal ging es um Mobilität und die Verkehrsanbindung der Stadt, unter anderem also auch um den Fernverkehr, der sich besonders entlang der Anhalter Bahn rund um den Jüterboger Bahnhof ständig dazwischen drängelt. Der fachliche Polit-Talk fand auf der Baustelle in der ehemaligen Mitropa-Halle des nicht mehr genutzten Bahnhofsgebäudes statt. Dessen Eigentümer und CDU-Kommunalpolitiker Konrad Ertl war per Handy zugeschaltet.

Als Experten hatte der hiesige SPD-Landtagsabgeordnete Erik Stohn den Verkehrspolitiker und stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Detlef Müller aus Chemnitz sowie Jörg Podzuweit aus Jüterbog als Vorsitzenden des Nahverkehrsbeirats von Teltow-Fläming eingeladen. „Beide sind Eisenbahner mit Leib und Seele“, stellte sie Stohn vor. „Ich kenne Jüterbog noch als riesigen und beeindruckenden Bahnhof“, erinnerte sich der einstige Lokomotivführer Detlef Müller. Schließlich sei Jüterbog ein wichtiger Kreuzungspunkt auch wenn sein ständiger Ausbau seit 1996 wieder zurückgefahren wurde, berichtete Jörg Podzuweit. „Der Standort Jüterbog wird aber weiter bleiben“, sagte er, ein weiterer Bahnsteig sei vorgesehen. Immerhin sei die Strecke zwischen Jüterbog und Berlin-Südbahnhof zu 150 Prozent ausgelastet. „Der Regionalverkehr kommt kaum noch zwischen den Fernverkehr“, so Podzuweit, „daher meine Anerkennung für Ministerpräsident Dietmar Woidke, der vier Gleise bis nach Jüterbog fordert.“

„Der Verkehr auf der Schiene wächst“, bestätigte Müller, deshalb gehöre der Schienenausbau zur Daseinsvorsorge des Staates. 45 Milliarden Euro seien dafür vorgesehen. „Profitieren wir hier auch davon?“, wollte Stohn wissen. Das hänge vom nächsten Bundesverkehrswegeplan ab, so Müller, der aber angesichts der hiesigen Wachstumsregion gute Chancen dafür sieht. Am besten wäre eine eigene Hochgeschwindigkeitsstrecke, damit der Regionalverkehr nicht immer ausweichen und auf die vorbeirauschenden ICE-Züge warten müsse.

Die Notwendigkeit zusätzlicher Gleise unterstrich Podzuweit mit dem Hinweis auf das Güterverkehrszentrum Großbeeren, eins der größten in Europa, das auch an der Strecke liegt. Und an der bereits vierspurig ausgebauten B 101, ergänzte Stohn. Nun auch vier Eisenbahngleise zu fordern, sei zwar ein auf den ersten Blick hochtrabender Plan, „aber bei der B 101 haben wir es ja auch hingekriegt“, so der SPD-Politiker.

Mit dem Zustand der Bahnhöfe zeigten sich beide leidenschaftlichen Eisenbahner und ihr Gastgeber zutiefst unzufrieden. Der Verkauf der meisten Empfangsgebäude habe zu einer „furchtbaren Situation“ geführt, meinte Detlef Müller. „Immerhin ist ein Bahnhof doch der Eingang zur Stadt.“ Wenigstens konnte der Jüterboger Bahnhofsbesitzer Konrad Ertl per laut gestelltem Mobiltelefon berichten, dass inzwischen eine Baugenehmigung vorliegt, das Erdgeschoss wieder seine Funktionalität zurückbekommen soll mit Gastronomie, Toiletten und Raum für Nachbarschaftsaktivitäten. Die Hüllensanierung des Gebäudes mit 1500 Quadratmetern Nutzfläche und 110 Fenstern – und alles unter Denkmalschutz – stelle eine finanzielle Herausforderung dar, so Ertl. Bei solch einem Gebäude dürften nicht nur Wirtschaftlichkeitsaspekte eine Rolle spielen, appellierte er fernmündlich. Er forderte eine „Allianz für den Bahnhof“. Leider mangele es an der Zusammenarbeit „mit den nötigen Akteuren“. Gemeint war die Stadt(-verwaltung).

Die müsse aber mit in eine solche Allianz, stellte der Bundestagsabgeordnete Detlef Müller fest, allein schon, um Finanzierungsquellen wie aus der Städtebauförderung zu erschließen.

 

 

 

Achtung an der Bahnsteigkante

Stolpergefahr am Übergang vom Fern- zum Nahverkehr – Erik Stohns Gesprächspartner fordern mehr Verlässlichkeit und ein Plus an Ruf- und Plus-Bussen (Teil 2)

Jüterbog. Die Forderung steht: Die Anhalter Bahn braucht zwischen Jüterbog und Berlin zwei zusätzliche Gleise. Der Nahverkehr muss wieder funktionieren und darf nicht länger aufs Abstellgleis geschoben werden, bis der ICE vorbeigerauscht ist. Darüber waren sich beim jüngsten Jüterboger Gespräch des heimischen SPD-Landtagsabgeordneten Erik Stohn beide geladenen Experten einig: der SPD-Bundestagsabgeordnete und Lokomotivführer Detlef Müller aus Chemnitz sowie der Jüterboger Eisenbahnexperte Jörg Podzuweit, der ehrenamtlich dem Nahverkehrsbeirat Teltow-Fläming vorsitzt, der wiederum Kreistag und Kreisverwaltung in Sachen ÖPNV berät. Beide äußerten vorsichtigen Optimismus, was die Durchsetzbarkeit eines so „auf den ersten Blick hochtrabenden Plans“ (Stohn) betrifft, nämlich den Ausbau der Bahnstrecke Jüterbog-Berlin auf vier Gleise. Immerhin befinde man sich in einer Wachstumsregion, die zweigleisige Strecke sei zu 150 Prozent überstrapaziert, Ministerpräsident Dietmar Woidke habe diese Forderung auch schon erhoben, und „wir es mit dem vierspurigen Ausbau der B 101 ja auch hingekriegt haben“, so Stohn.

Aber: Vorsicht an der Bahnsteigkante! Dort ist der Übergang vom Fern- zum Nah- sowie von Bahn- zum Busverkehr und umgekehrt. Beides muss gut miteinander vertaktet sein, sonst stolpert man in die Anschlussfalle, wenn etwa die Bahn zu spät ankommt und der Anschlussbus deshalb schon weg ist. Genau das kritisierte Alexandra von Lochow aus Petkus, Mutter von vier jugendlichen Kindern. Was nutze der Rufbus, wenn ihre Kinder nur bis zum Bahnhof kommen und es dann nicht weiter geht? Dann müsse sie doch wieder mit dem Auto fahren, um sie vom Bahnhof abzuholen. Auch spontane Fahrten seien nicht immer möglich, vor allem, wenn der Platz nicht ausreicht.

Letzteres sei ja erstmal ein „schönes Problem“, meinte Detlef Müller, weil die Nachfrage da ist. Dann müssten eben ein größerer Bus eingesetzt werden, der Fahrer sei ja da. „Entscheidend ist natürlich, dass die Bahn wieder pünktlich wird“, betonte er.

Die Auslastung der Rufbusse sei im Kreis Teltow-Fläming wirklich überdurchschnittlich, erwähnte Podzuweit: Im Schnitt drei statt anderswo anderthalb Fahrgäste. Manche Strecken seien sogar so gut ausgelastet, dass die Verkehrsgesellschaft Teltow-Fläming (VTF) überlege, dort reguläre Buslinien einzurichten.

Eine solche Buslinie fehle vor allem zwischen Petkus und Baruth, mahnte Alexandra von Lochow an. Die Gäste ihres Skate-Hotels – oft ganze Schulklassen – könnten deswegen keine Ausflüge nach Glashütte oder zum Wildpark machen oder über den Baruther Bahnhof nach Berlin. Ein extra gecharterter Reisebus nach Glashütte würde für 20 Kilometer hin und 20 Kilometer zurück 29 Euro pro Kind kosten. Nach ihrem Gefühl seien zumindest Baruths so genannte „Bergdörfer“ doch abgehängt. Damit widersprach sie Jörg Podzuweit, der darauf hingewiesen hatte, dass zumindest der Rufbus alle Dörfer im Südkreis erreicht.

Auch die Plus-Busse seien ein Erfolg. Derzeit werde überlegt, zwei weitere Linien einzurichten zwischen Luckenwalde und Baruth sowie zwischen Jüterbog und Dahme.

Für den ÖPNV investiere der Kreis mit 2,5 Millionen Euro jährlich. Dies sei auch ein Schwerpunkt der Landes-SPD betonte Erik Stohn. Man müsse aber mit erheblichen Kostensteigerungen rechnen, gab Detlef Müller zu bedenken, sowohl was die Anschaffung der Busse, den Aufbau einer Ladestations-Infrastruktur für E-Busse und auch die Lohnsteigerungen betreffe.

Simone Schulze vom Seniorenzentrum in Jüterbog II forderte eine Ausweitung des Rufbusses bis in ihren Stadtteil. Das betreffe auch Neumarkt, ergänzte Jörg Podzuweit: „Die Stadt muss sich da was überlegen, aber das kostet natürlich Geld.“

Nach intensiver und fast zweistündiger Diskussion zog Gastgeber und Moderator Erik Stohn das Fazit: „Wir brauchen mehr Verlässlichkeit insbesondere bei der Bahn, das Plus-Bus-System muss weiter ausgebaut und die Rufbus-Linien müssen erweitert werden. Es geht darum, die Menschen zueinander zu bringen, das ist unsere Aufgabe.“