Migration als Chance für Geflüchtete und das Aufnahmeland

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Der Weg in den Arbeitsmarkt muss vereinfacht werden – Friedrich-Ebert-Stiftung lud zum sachlichen „Jüterboger Gespräch“

Jüterbog. „Die Zuwanderung von immer mehr Geflüchteten ist eine riesige Herausforderung für Deutschland, aber auch eine Chance für beide Seiten, also für Geflüchtete und uns als Gastgeberland“, betonte der Jüterboger Landtagsabgeordnete Erik Stohn (SPD) auf einer gut besuchten Diskussionsveranstaltung im Restaurant „Am Bad“ in Jüterbog. Sie wurde organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung und stellte die Frage: „Migration als Chance gegen den Personalmangel?!“

Das sollte sie zumindest sein, meinten einheitlich die auf dem Podium sitzenden Diskutanten Dietlind Biesterfeld, SPD-Beigeordnete der Kreisverwaltung Teltow-Fläming, Pfarrerin i.R. Mechthild Falk von der ehrenamtlichen Initiative „Gemeinsam in Jüterbog“, Erik Stohn, Hella Hasselmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Antje Gust von der Langenlipsdorfer Firma Sik-Holz.

Dazu müssten die Chancen aber auch genutzt werden, meinte Erik Stohn. Angesichts der zunehmenden Arbeitsmarktprobleme durch den steigenden Personalmangel sei es unerlässlich, die Beschäftigungshindernisse für Ausländer endlich zu beseitigen. „Brandenburg ist mittlerweile der Wachstumsmotor in der ganzen Bundesrepublik. Während die Wirtschaftsleistung in Deutschland stagniert, wächst Brandenburg um 6 Prozent!“, stellte der Landtagsabgeordnete fest, doch er frage sich, wer in Zukunft überhaupt noch welche Leistungen erbringen könne. In Teltow-Fläming liegt die Arbeitslosenquote bei 4,6 Prozent. Ab 3 Prozent redet man von Vollbeschäftigung. Da sei es doch ein Widerspruch, dass die vielen Migranten nicht arbeiten dürften.

Deshalb sei es wichtig, dass mehr Sprachkurse angeboten werden und Maßnahmen ineinandergreifen. „Es muss einfach alles schneller gehen“, forderte Stohn. So gebe es bereits gute Initiativen wie das Welcome-Center in Luckenwalde, welches Ausländer bei der Aufnahme von Arbeit berät und unterstützt. „So etwas müssen wir noch ausbauen.“

Bemerkenswert sei es, dass die Ausländer mit Arbeitserlaubnis innerhalb eines Jahres maßgeblich dazu beigetragen haben, dass die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze in Brandenburg um 5000 gestiegen sind. So sank laut Wirtschaftsministerium die Zahl der deutschen Arbeitskräfte zwischen März 2022 und März 2023 um 8.445, während die der Ausländer um 13.585 stieg. „Damit sind die ausländischen Arbeitnehmer wesentliche Garanten der Wirtschaftsleistung Brandenburgs und seines Wohlstands“, so Stohn.

Dennoch gebe es beim Güterverkehrszentrum Großbeeren 700 offenen Stellen, „obwohl da schon viele Flüchtlinge arbeiten“, berichtete Dietlind Biesterfeld.

Aus der Praxis mit ausländischen Mitarbeitern aus 17 Nationen berichtete Antje Gust. Bei Sik-Holz arbeiten demnach Migranten vorwiegend in der Vorbereitung. Dazu brauche man nicht unbedingt Deutschkenntnisse und Qualifikationen. Bei qualifizierteren Tätigkeiten allerdings schon.

Der Arbeitskräftemangel herrsche überall, wusste die Gewerkschafterin Hella Hesselmann zu berichten. Das Baugewerbe, Gastronomie, die Verkehrs- und Logistikbetriebe würden ohne Migranten gar nicht mehr funktionieren. Sie empfahl, nicht erst Menschen aus Drittstaaten zu holen, sondern die bereits hier lebenden Ausländer anzusprechen und für ihre Arbeit auch anständig zu entlohnen.

Ganz ohne Integrationskurse gehe das aber nicht, wandten anwesende Mitarbeiterinnen des Jobcenters ein. Die Kurse wiederum litten selbst an Personalmangel, weshalb nicht so viele angeboten werden könnten, wie dafür Bedarf bestehe. Selbst Onlinekurse seien begrenzt.

Ein weiteres Problem: Die vorwiegend weiblichen Flüchtlinge aus der Ukraine könnten die Kurse schon deshalb nicht besuchen, weil es keine Kurse mit Kinderbetreuung gebe. Das scheitere am Jugendamt des Kreises, weil dieses bemängelt, dass in der Schulungsstätte keine kindergerechten Toiletten vorhanden seien. „Das ist doch eine Hürde, in dem es pragmatische Lösungen geben muss. Wir werden uns darum kümmern.“, antwortete Erik Stohn, der auch im Kreistag sitzt.

Zur Sprache kam auch, dass gerade die ukrainischen Flüchtlinge nur zum relativ geringen Anteil in Arbeit stünden, obwohl die Erlaubnis dazu von Anfang an gegeben ist. Ein Kritikpunkt aus dem Publikum lautete, dass das Bürgergeld, das die Ukrainer gleich erhalten, zu hoch sei im Vergleich zum Mindestlohn und es deswegen keinen Anreiz zum Arbeiten gebe. Erik Stohn entgegnete, dass umgekehrt der Mindestlohn zu gering sei gegenüber den Sozialleistungen, die ja nur ein Existenzminimum absicherten. Viele in den sozialen Netzwerken verbreitete Informationen stimmen auch nicht. Sie berücksichtigen nicht, dass es für Geringverdiener viele Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld- und Kinderzuschlag, Aufstockerleistungen gibt.

Gleich mehrere Bespiele gelungener Integration konnte Mechthild Falk aufzählen, wie das der jungen Iranerin, die bei Sik-Holz ihre Lehre als Kauffrau abgeschlossen hat und nun nach einer Zusatzausbildung bei der Feuerwehr tätig ist.

 Deshalb sei es so wichtig, deren Berufsabschlüsse anzuerkennen, forderte Hella Hesselmann und warf ein anderes Problem auf: „Die Sammelunterkünfte tragen nicht zur Integration bei. Da sind sie unter sich und lernen kein Deutsch.“ Die Sprache des Gastlandes lerne man am besten bei der Arbeit, stimmte ihr Dietlind Biesterfeld zu.

„Wer hier arbeiten will und kann, der soll das auch tun dürfen“, war das Fazit, das Dietlind Biesterfeld und Erik Stohn am Ende der Diskussion zogen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, müsse man aber selbst noch daran arbeiten.

Jüterboger Landtagsabgeordnete Erik Stohn (SPD) bei „Jüterboger Gespräche“ im Restaurant „Am Bad“ in Jüterbog.
auf dem Podium: Dietlind Biesterfeld, SPD-Beigeordnete der Kreisverwaltung Teltow-Fläming, Pfarrerin i.R. Mechthild Falk von der ehrenamtlichen Initiative „Gemeinsam in Jüterbog“,SPD-Landtagsabgeordneter Erik Stohn, Hella Hasselmann vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Antje Gust von der Langenlipsdorfer Firma Sik-Holz.
Die gut besuchte Diskussionsveranstaltung im Restaurant „Am Bad“ in Jüterbog. Sie wurde organisiert von der Friedrich-Ebert-Stiftung und stellte die Frage: „Migration als Chance gegen den Personalmangel?!“